Im Archiv

Hier befindet man sich im inneren des Archives!

cf: Büro von Arjuna von Askjell

Ich nickte nur mechanisch die Worte von Sam ab. Warum nicht mal auf rein spekulativer Basis arbeiten? Selbst damit kam man manchmal an die Wahrheit heran. Trotzdem schmeckte mir der Braten überhaupt nicht. Ich arbeitete lieber mit Fakten. je klarer und deutlicher sie Waren, desto besser doch das hier grenzte schon fast an eine Geisterjagd! Die Tür fiel ins Schloss und wir befanden uns schon in den Gängen des Ministerium. "Wir sollten trotzdem nicht auf schnelle Erfolge bauen, das Archiv ist riesig..."
Trotz der Hilfe eines Archivisten hatte ich eine Woche in dem Trakt verbracht, um Lofturs Akte zu besorgen. Entgegenkommende Kollegen grüßte ich freundlich nickend, ohne dabei zu wirken als sei ich in Eile. Ich pflegte einfach keine engeren Kontakte zu ihnen und blieb auf Distanz und konnte so meiner Arbeit in absoluter Ruhe nachgehen. Es war zwar manchmal von Nachteil, wenn es um Teamarbeit ging, doch damit konnte man sich ja arrangieren.

Das Archiv war erreicht, und Samuels annahme, es wäre etwas weniger los, bestätigte sich. Keine Menschenseele schien sich zwischen den riesigen und vollgestopften Aktenregalen zu befinden. Wenigstens, so weit meine Augen sehen konnten. Wer wusste denn schon was tiefer lauerte.

Das Archiv befand sich im hinteren Teil des Traktes für magische Strafverfolgung und war mithilfe eines Zaubers gedehnt worden. Hinter dem Eingangsbereich, wo man einige Tische und Stühle hingestellt hatte, die aus dem Sperrmüll verschiedener Zeitepochen zu stammen schienen, wuchsen die Regale in die Höhe. Nicht einmal Samuel, der schon viele Stunden hier zugebracht hatte, wusste wie weit sie wirklich reichten. Neben der Mysteriumsabteilung und den Gerichtsräumen gehörte das Archiv zu den ältesten Teilen des Ministeriums und es war ungewiss, was dort alles unter den Papierbergen lagerte.

Er trat neben Arjuna. Sie hatte größer gewirkt, hinter der Barriere ihres Schreibtisches. Samuel überragte sie um mehr als einen Kopf.

„Fangen wir an. Sie könnten nach der Akte des verschwundenen Vaters suchen, während ich versuche, das Erbübernahmedokument von Finn Haghar ausfindig zu machen.“, schlug er vor und wollte sich schon an die Arbeit machen, hielt aber inne, als ihm etwas einfiel.

„Wir sollten die anderen Mitglieder der Familie nicht außer Acht lassen. Falls sie eine ihrer Akten entdecken, achten sie auf Verbindungen nach Skandinavien.“, riet er ihr, dann verschwand er zwischen den Regalreihen.

Wo er vorbeischritt, lösten sich Pergamente aus den Regalen und schwebten hinter ihm her, dem Ruf seines Suchzaubers folgend. Ein konkreter Aufrufzauber würde ihn nicht weiterbringen, da er weder Aktenzeichen noch genauen Fallnamen wusste, deshalb sammelte er vorerst alles, was mit der Familie Haghar in Verbindung stand und aus der richtigen Abteilung stammte – was unangenehmerweise die für Finanzrecht war. In Kürze hatte sich eine ansehnliche Wolke um ihn gesammelt und verbreitete den Geruch nach altem Papier und Tinte. Samuel stieß einen frustrierten Laut aus und wischte sich den Staub von den Schultern, der von den älteren Dokumenten auf ihn herunter rieselte. Das alles musste er gleich durchsortieren und die irrelevanten Dokumente ausfiltern.
Er argwöhnte zudem, dass, wer immer für die Übernahme zuständig gewesen war, sie bestimmt nicht so eingeordnet hatte, dass sie leicht zu finden war.

Im Gegensatz zu mir, wirkte Samuel wohl wie ein Riese und ich fühlte mich ohnehin schon klein und gerade in solchen Momenten wurde mir bewusst wie klein! Natürlich könnte ich mich mit hohen Absätzen etwas größer schummeln, wenn ich wollte. Doch Fakt ist leider, das ich den Dingern weder laufen, noch einigermaßen gut stehen konnte!

Mit seinem Vorschlag über die Arbeitsaufteilung war ich zwar einverstanden, doch ich wusste, dass das Unterfangen, diese Akte irgendwie zu besorgen, kein Zuckerschlecken werden würde. Das Archiv war riesig, und beherbergte gerade über solche großen Namen massen an Papier. Dabei das richtige zu finden, war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen! Selbst der Tipp, dabei nach den skandinavischen Verbindungen ausschau zu halten, half mir gerade überhaupt nicht. Um ehrlich zu sein, ich kam mir vor wie zu meiner Lehrzeit, so hilflos und überfordert...

Erst als Sam außer Sichtweite war, ging ich in die entgegengesetzte Richtung. Zwischen diesen hohen Regalen, vollgestopft mit allen möglichen Akten und Papieren, fühlte ich mich noch kleiner, winzig.
Bedächtig streifte ich die Aktenstapel mit den Fingerspitzen, sog die muffig-staubige Luft um mich herum ein. Ich schloss die Augen und befreite meinen Kopf von jeglichem Zweifel, den ich bis dato innehatte, konzentrierte mich auf mein wesentliches Ziel. Haghar, und alles was mit ihm im Zusammenhang stand. Ich öffnete meine Augen wieder, zückte den Zauberstab, sprach den Suchzauber aus und beschritt weiter das Archiv, wagte mich in tiefere gefilde, geduldig wartend, bis sich das gewünschte Material aus den Regalen löste und mir still, wie ein schwarm Vögel folgen würde...

Sobald das Ende der Abteilung ausgeschildert wurde, kehrte Samuel um und machte sich auf den Weg zu den Tischen. Die Pergamente schwebten leise knisternd hinter ihm her. An einer Abzweigung die tiefer in das Archiv hineinführte, brachte ihn ein Geräusch dazu, stehen zu bleiben. Die Lichter in diesem Abteil waren erloschen und aus den Schatten wisperten die Dokumente in vergessenen Sprachen. Er drehte Kopf und lauschte, plötzlich angespannt. Sein Blick wanderte in die Richtung in der Arjuna sein sollte, zögerte, schweifte zurück zu dem Gang. Dann schritt er in das Halbdunkel und wanderte an den Regalreihen entlang, strich mit den Fingerspitzen über die Buchrücken und rezitierte leise eine Formel, die ihn zu dem Exemplar bringen sollte, das er suchte. Die Mappe enthielt einige lose Blätter und schnappte nach seinen Händen, als er sie herauszog, aber es war nicht schwer, sie zum verstummen zu bringen. Er warf sie in die Luft, wo sie sich der Papierwolke anschloss und kehrte zum Eingangsbereich zurück, ohne einen weiteren Abstecher zu machen.
Wenn Arjuna zurückkehrte, sofern sie nicht schon dort war, würde sie ihn an einem der Tische finden, wo er die Blätter beobachtete, die sich auf verschiedene Stapel sortierten. Ab und zu griff er sich eines heraus und überflog es, bislang ohne etwas Aufschlussreiches gefunden zu haben.
Sein Jackett hing über der Lehne einer der Stühle und er hatte die Tischlampe entzündet, die harte Schatten unter seine Wangenknochen zeichnete.

„Waren sie an der Ermittlung in Hogwarts beteiligt, nach dem Tod dieses Jungen?“, fragte er sie, während er ein weiteres Dokument überflog.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich der Ordner zu regen begann und stützte sich nonchalant mit einer Hand darauf ab, um ihn ruhig zu halten. Sein Gesicht blieb unverändert, aber für einen Moment zeichneten sich seine Muskeln angestrengt unter dem Hemd ab. Dann hatte er den Bindungszauber um drei lautlose Silben verstärkt und die Mappe wieder ruhig gestellt.
Entspannt nahm er das nächste Blatt zur Hand, neugierig ob sie etwas mitbekommen hatte. Man müsste sehr aufmerksam sein.

Ich konzentrierte mich auf mein Ziel, ließ keine anderen Gedanken zu. Sie währen eh hinderlich gewesen. Ich riskierte einen kurzen Blick hinter mich. Ich bereute es schon jetzt. Hinter mir hatte sich praktisch eine Gewitterfront aus Akten gebildet, die nur darauf warteten intensiv von mir bearbeitet zu werden. Na Wunderbar, ich liebte es ja kompliziert..
Es erfüllte mich nicht gerade mit Begeisterung, schon wieder Tonnenweise Akten zu wälzen, doch es musste sein...
Ich schritt durch die Gänge zurück zu den Tischen und ließ mich nieder, die akten stapelten sich von selbst ordentlich auf.

Sam war ebenfalls schon wieder da, hatte selbst einen beachtlichen Stapel an Papiere angeschleppt. Und nun saßen wir im Archiv und studierten Akten, fein säuberlich, eine nach der anderen. Seine Frage riss mich ein wenig aus der Konzentration heraus.
"Hmm?! Hab davon gehört ja, war aber selber nicht vor Ort..."
ich vertiefte mich wieder in Akte vor mir. Es war schon bedauernswert , der Sohn der Notts, der dunklen Magie verfallen, Tod!
"...aber das ermittelnde Team hat nicht viel herausgefunden hab ich gehört, ich glaube der Minister war nicht darüber erfreut..."
Ich war es auch nicht! Viele Auroren kümmerten sich einfach nicht mehr so intensiv um ihre Fälle, war mir schon öfter aufgefallen. Sie gaben viel zu schnell auf, wenn die Lösung zu weit entfernt war. Sie waren viel zu weichgespült, und das machte mich wütend...
Ich lockerte meinen Griff um das Papier wieder, der sich mit meinen Gedanken verfestigt hatte. Kurz blickte ich auf und ließ meinen Blick nur Sekundenbruchteile schweifen, bemerkte Samuels anspannung nur indirekt, genauso wie die lebendige Mappe, fragte aber nicht weiter danach.
Weder dass es mich gerade ernsthaft interessierte, noch das es mich etwas anging. Doch ich hatte gelernt immer auf solche Kleinigkeiten acht zu geben.

Es dauerte seine Zeit, aber allmählich lichteten sich die Aktenstapel. Einen großen Teil hatte Samuel als unbrauchbar aussortieren können. Bei den Haghars handelte es sich offenkundig um eine alte Familie, die im Laufe der Jahre genug verzeichnet Transaktionen mit dem Ministerium geführt hatten um eine Vielzahl an Ordnern zu füllen.
Die nun überflüssigen Dokumente erhoben sich in die Luft und verteilten sich über das Archiv, kehrten eines nach dem Anderen an ihre angestammten Plätze zurück.
Was übrig blieb, war ein dünner Stapel Pergament, handgeschrieben, unordentlich. Die Erbschaftsübergabe an Finn Haghar war kein Gegenstand langer Verhandlungen gewesen. Samuel nahm sich die Zeit, sie vollständig durchzulesen, dann schob er sie zusammen und drapierte sie ordentlich auf dem Tisch. Einen Moment lang blieb er noch sitzen und dachte nach, dann stand er auf und sah zu seiner Kollegin hinüber.

„Die Übergabe des gesamten Erbvermögens an den zu dem Zeitpunkt offiziell nicht existenten Finn Haghar hat zwei Tage gedauert. Grundlage war ein in dem Bericht nicht näher definierter Verwandschaftsnachweis. Zuständig für das Ganze war ein Benjamin Scott aus dem Finanzsektor, inzwischen im Ruhestand, Aufenthaltsort unbekannt.“, resümierte er. Allein die Tatsache, dass für das ganze Prozedere nur zwei Tage nötig gewesen waren, sagte einiges aus. Die Bürokratie war schwerfällig, aber anscheinend hatte es in diesem Fall genug Anreiz gegeben, das Ganze ein wenig zu beschleunigen. Wenn man sich die Mühe machen würde, den eiligen Mr. Scott ausfindig zu machen, würde man wahrscheinlich feststellen, dass er eine bessere Rente genoss, als man es bei einem Mann, der Zeit seines Lebens nicht befördert worden war, erwarten würde.

„Sie haben ihn nachträglich über die Verwandtenklausel in die Register geschmuggelt. Ein Schlupfloch, das inzwischen geschlossen ist, wenn ich mich nicht irre.“
Samuel nahm die Akten noch einmal zur Hand und blätterte zu den Signaturen der Abteilungsleiter.
„Ziemlich undurchsichtig, das Ganze. Entweder haben alle mit dem Fall befassten Beamten einheitlich nachlässig gearbeitet, oder es ist Geld geflossen.“, sagte er nachdenklich. Es war klar, welche Möglichkeit er für wahrscheinlicher hielt.
„Haben sie etwas gefunden?“